Gibt es wahre Liebe?

Endlich Schluss mit der Filmgeschichte!

Immer mehr Menschen spüren und erfahren, dass Liebesbeziehungen, wie sie von Generationen als Idealzustand angestrebt wurden, in der Wahrheit nicht mehr funktionieren. Sosehr wir auch suchen, so vielen Menschen wir auch begegnen der ersehnte Traum von dauerhaftem Glück und Harmonie tritt einfach nicht ein. Müssen wir die Sehnsucht nach der ewigen und erfüllenden Liebe mit einem Seelenpartner aufgeben?

Ständig mehr Single-Haushalte, immer kürzere Beziehungen mit immer weniger Tiefe. Vereinsamung mitten unter anderen zunehmende und heftigere Beziehungsdramen und immer mehr als Liebe bezeichnete absurde Verhaltensweisen. Das alles führt bei einer wachsenden Zahl von Menschen zu einer Art Beziehungsmüdigkeit oder Resignation. Was geschieht hier eigentlich gerade mit uns allen? Um dies zu beantworten müssen wir zwei Dinge zu wissen:

1) Welche Kräfte wirken gerade auf jeden Einzelnen von uns und auf uns als Gesellschaft und welche Aufgabe liegt darin?
2) Was ist wahre Liebe und vor allem: was nicht?

Warum die Film-Liebe stirbt
Wir tauchen gerade immer tiefer in einen Zeitabschnitt ein, der allen, die einen bestimmten Weg der persönlichen Entwicklung gehen, die grösste Lernaufgabe vor die Füsse legt, die ein Mensch haben kann:
wahre, also bedingungslose Liebe auch wirklich zu leben.
Dies ist der Grund, warum Beziehungen ohne wahre Liebe immer schneller scheitern oder gar nicht erst zustande kommen oder immer stärkeren Schmerz und Leid erzeugen. Weil es in unserer Natur liegt, Schmerz und Leid auszuweichen, vermeiden immer mehr Menschen die althergebrachten Varianten von Liebesbeziehungen, die letztlich vor allem auf der gegenseitigen Erfüllung von Bedürfnissen beruhen. Lieber lässt man ein Bedürfnis unerfüllt, als dass man es mit immer demselben Leid und Drama bezahlen muss.
Wenn die alten Beziehungen nicht mehr funktionieren und etwas Neues noch nicht greifbar erscheint, was bleibt uns dann? Ein Gefühl von Leere, von Nicht-Liebe, von Liebesmangel, dem viele Menschen nicht anders begegnen können, als es mit Ersatzhandlungen auffüllen.
Hier sind zum Beispiel:
übermässiges Arbeiten, übermässig häufiges Ausgehen, Kaufen unnötiger Dinge ebenso verbreitet,
wie Essen, Alkohol, Medienkonsum, unmotivierte aber dennoch häufige Kontakte und Datings über Internet-Partnerbörsen.
Speziell bei dieser eigentlich guten Möglichkeit Kontakt zu finden macht sich immer mehr der Trend breit, andere in scheinbaren Flirts „zu konsumieren“, sich also nur auf oberflächlicher Basis zu begegnen, was letztlich nichts anderes ist, als eine Ablenkung von der eigenen inneren Leere.
Wenn auch solcher Ersatz nicht ausreichend wirkt, entstehen starke Liebes-Entzugserscheinungen, die zu Süchten bis hin zu völlig absurden Handlungen führen können. Stalking (einer Person im Liebeswahn nachstellen), Gewalt, Missbrauch und Verwirrtheit in allen Varianten nehmen derzeit deutlich zu, wie jeder - neben den Erfahrungen im eigenen Umfeld – auch an der Präsenz in den Medien feststellen kann. (Affäre Nef) Nun trägt jeder von uns etwas von allem in sich, auch einen, wenn vielleicht auch geringen Teil dieses Wahnsinns. Doch je mehr wir wissen, was in uns geschieht, umso leichter können wir in unserem Zentrum bleiben.
Wenn wir zum Beispiel erkennen, dass ein Stalker oder ein Missbrauchender letztlich nichts anders ist, als ein Umherirrender, ein Abgeschnittener auf der Suche nach einer Liebe, die er im Aussen nie finden wird und die er in seinem Inneren nicht spüren kann, haben wir die Möglichkeit, das, was um uns herum geschieht zu verstehen. Dies bedeutet nicht, es gut zu heissen, aber es bedeutet, dass wir uns nicht verwickeln lassen, sondern die Chance nutzen, um für uns selbst eine neue Art von Beziehung zu erschaffen. Je mehr wir wissen, umso weniger kann uns das erschüttern, was andere aus falsch verstandener Liebe tun.

Was ist die wirkliche Liebe?
Fast jeder glaubt zu wissen, was Liebe ist. Man begegnet einem Menschen, findet ihn oder sie bezaubernd, faszinierend, anziehend, erregend… Herzklopfen, Schmetterlinge im Bauch, Vorfreude, Gedanken nachhängen, Zukunftspläne schmieden. Und schon ist man verliebt. Wenn man Glück hat, geht es dem anderen ebenso und beide werden ein Paar. Ganz klar, das ist die Liebe, was gibt es da weiter zu verstehen? Gar nichts, solange alles gut geht und sich beide glücklich fühlen. Aber wie lange hält dieser Zustand an? Es hat einen guten Grund, warum praktisch alle Film-Romanzen und Liebesromane mit der Hochzeitsszene enden.
Weil danach der Alltag kommt, weil beide nach dem Rausch der Verliebtheit in ihr normales Leben zurückfallen. Und normales Leben hat jeder selbst, dafür kauft man kein Buch und zahlt keinen Kinoeintritt.
Wir suchen den Kick der Verliebtheit, weil er uns unsere Emotionen in grosser Bandbreite nach oben bringt: Von Euphorie, Freude, Leidenschaft, Erregung bis hin zur Verlustangst und der Angst abgelehnt zu werden. Eine Achterbahn der Gefühle und genau aus diesem Grund ist es so erregend.
Man spürt Intensität, fühlt sich im Innersten berührt, erkennt den Grund seines Daseins und die Frage nach dem Sinn des eigenen Lebens hat sich erledigt. Zumindest für eine Weile. Nämlich genau so lange, bis die Intensität verschwindet und der andere einen nicht mehr erfüllen, ablenken und unterhalten kann. Es schleicht sich der Gedanke ein, dass die Liebe dabei ist abzusterben und soweit es die romantische Filmliebe betrifft, stimmt es auch. Die Illusion zerbröckelt. So traurig uns das macht, so gross, ist die Chance jetzt wirkliche Liebe in uns zu spüren. Wenn die Geschichte im Kopf verschwindet, wenn unser privater, immer wieder enttäuschter Film vom endlosen Glück verblasst, geht eine Türe zum Universum auf.
Diese Türe erkennen wir umso besser, je mehr wir wissen, dass nur unsere Illusion gerade so schmerzvoll entschwindet. Jetzt haben wir die grosse Chance, den anderen in seinem Wesen wahrzunehmen, mit allen Eigenschaften, Fehlern, Ängsten, Schmerzen und Sehnsüchten. Wohl jeder von uns hat es schon erlebt: Die berührendsten Augenblicke, in denen wir uns einem anderen Menschen ganz nahe fühlen, sind Momente tiefer Trauer, Krankheit oder auch Schmerz, z.B. nach einem Streit. In diesen Zeiten vergessen wir unsere Geschichte vom anderen und nehmen nur war, was gerade ist, weil wir selbst so berührt sind, dass wir nicht mehr
denken können sondern nur noch fühlen und mitfühlen. In diesem Moment ist wahre Liebe in uns.

Filmvorlage - eine Erfindung
Die so genannte romantische Liebe ist eine Erfindung des Mittelalters und hat ihren Ursprung im kirchlichen Bereich. Es ging um die Verehrung des ewig Unerreichbaren, des Göttlichen, übertragen auf einen ersehnten Menschen. In der Epoche der Romantik wurde der Herzschmerz in Literatur und Konversation zur Kunstform erhoben. Der oder die Geliebte wurde zu einem Gott, einer Göttin, einem Prinzen oder einer Prinzessin gemacht und der „süsse Schmerz“ der Liebe (Goethe), des hinausgezögerten oder verhinderten Zusammenkommens so intensiv ausgekostet als wäre es ein Zaubertrank.
Normalerweise versucht jedes Lebewesen Schmerz zu vermeiden, denn Schmerz ist ein natürlicher Hinweis darauf, dass etwas falsch läuft. Warum erschafft sich der Mensch dann Situationen, in die der Schmerz einprogrammiert ist und erhebt das Leid auch noch zur Kunstform?
Warum scheinen Herz und Schmerz, Liebe und Leid untrennbar verbunden zu sein? Weil wir die Fähigkeit haben zu denken und in unseren oft verwirrten Gedanken ordnen wir den Schmerz aus einer Beziehung falsch ein oder übergehen ihn.
Bildlich gesprochen hat einzig der Mensch die Möglichkeit, seine Hand fünf Mal hintereinander freiwillig auf eine heisse Herdplatte zu legen und dies am Ende als wertvolle Erfahrung zu betrachten. Mit unserer Fantasie erschaffen wir eine eigene Realität in Form von Geschichten, denen wir folgen und eine dieser Geschichten ist die Illusion der Filmindustrie, die mit wirklicher Liebe eben nur selten etwas zu tun hat.
Hier einige auffällige Merkmale dieser Liebesgeschichten:
- Ein Mensch stellt plötzlich fest, dass er ohne den anderen nicht mehr leben kann oder will. Der Lebenssinn liegt ab sofort gänzlich im dauerhaften Zusammensein mit der geliebten Person.
-Der oder die Andere hat etwas oder ist etwas, das man selbst nicht hat oder ist. Das fehlende Teil, die perfekte Ergänzung.
- Nichts geschieht von alleine. Um die Liebe des anderen zur bekommen, muss man sich anstrengen. Am besten kämpfen, Mitstreiter ausbooten und sich Tricks und Kniffe ausdenken, die begehrte Person davon überzeugen, dass man selbst die ideale Wahl ist.
- Auf keinen Fall darf man zeigen, wer man ist und was man wirklich fühlt, denn im falschen Augenblick gesagt birgt dies das Risiko der Ablehnung und damit unendlichen Schmerzes.
- Durch die Steigerung von Zuneigungsgesten, wie Geschenken und anderen Überraschungen, sowie durch das suchen von Nähe treibt man die Entscheidung beim geliebten Menschen positiv voran.
- Ein Mensch, der schwer zu erreichen ist oder sich kaum öffnet, ist besonders begehrenswert, denn eine schwierige Beute macht die Jagd spannender. Deshalb ist es gut, sich selbst geheimnisvoll zu geben und sich, wo angebracht, zu verstellen. Auf keinen Fall darf man sich der begehrten Person gegenüber von Anfang an wie einem guten Freund zeigen. Das wäre eine Regelverletzung, würde das Drama zerstören, langweilig wirken und die köstliche Phase des „süssen Schmerzes“ überspringen.
- Abgelehnte Bemühungen führen sofort zu unerträglichem Leid, deshalb ist es praktisch unmöglich, eine Kampfpause einzulegen. Die Liebe steht immer unter Zeitdruck, das Verfallsdatum naht und Eile ist geboten. Wenn sich nichts bewegt, müssen stärkere Geschütze aufgefahren werden.
Diese und weitere Grundmerkmale findet man in fast jedem Liebesroman und jedem Liebensfilm, weil sie Spannung und Drama garantieren. Wer auch im richtigen Leben Drama sucht, tut gut daran, diese Vorgaben zu befolgen. Wer jedoch die Nase voll davon hat, dieses verbreitete Spiel zu spielen oder wer einfach zu unbedarft und ungeübt ist, bleibt möglicherweise alleine. Was also tun? Und wenn das zuvor Genannte keine wirkliche Liebe sein soll, wie erkennt man dann wirkliche Liebe?
- Wirkliche Liebe ist kein Gefühl, welches gegeben und genommen werden kann, sondern ein Zustand, in dem man sich befindet.
- Wirkliche Liebe existiert nur jenseits unseres Denkens deshalb können wir sie nur umschreiben, nicht direkt beschrieben. Wir können sie frei legen, sie sozusagen entblättern“, indem wir alle Gedanken wegnehmen, die Nicht-Liebe sind. Ähnlich einer Frucht, die man schält, um zum Kern zu gelangen. Dies ist auf den ersten Blick schwieriger zu verstehen, als die einfache Filmvariante, deshalb beschäftigen sich so wenige damit. Dabei ist es ganz einfach. Schälen wir im Folgenden einfach einmal ein paar Blätter ab:

Liebe benutzt nicht
Einen Menschen für die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse zu benutzen ist eine Art von Missbrauch. Wir machen den anderen zu einer Kinoleinwand, auf die wir unsere eigenen Sehnsüchte und Träume wie einen Film projizieren. Wenn die Leinwand sich dann als normaler Mensch zu erkennen gibt, mit einer ganz eigenen Geschichte, mit Eigenschaften, die nicht unserem Traum entsprechen, verblasst die Illusion und eine Ernüchterung macht sich breit, die viele als sterbende Liebe ansehen. Wenn wir auf diese Wiese „lieben“, degradieren wir den anderen zu einem Objekt für unsere bedürfniserfüllung, zwingen ihn eine Rolle in unserem Film zu spielen. Dies hält niemand lange aus, außer er trägt selbstquälerische ungelöste Muster in sich.

Liebe hat keinen Plan
Wenn wir einem anderen Menschen begegnen und wir haben Pläne im Kopf, wie die Begegnung ablaufen sollte und zu welchem Ziel wir gelangen möchten, geben wir der Entfaltung von Liebe keine Chance. Wir handeln nach Gedanken, beobachten uns und den anderen und bleiben im Kopf. Dies gilt bei ersten Dates genauso, wie nach Jahren in einer Partnerschaft.

Liebe kennt keine „Schmetterlinge“
Der Gedanke an eine eventuelle Zurückweisung, die Unsicherheit, ob der begehrte mögliche Partner uns annimmt oder ablehnt, erzeugt in unserem Körper ein Gefühl, das sehr ähnlich dem vor einer Prüfung oder einem Bewerbungsgespräch ist: Angst. Die so oft zitierten und ersehnten Schmetterlinge im Bauch sind nichts anderes als körperliche Reaktionen auf eine Geschichte von Angst. Weil wir den Zustand der - am Anfang noch unsicheren - Liebesbeziehung für gewöhnlich jedoch nicht mit Angst in Verbindung bringen, spüren die meisten Menschen einfach nur ein ungewöhnliches Gefühl, dass sie als Teil der Liebe ansehen.
Wirkliche Liebe kennt keine Angst. Wenn wir Liebe in uns spüren, geschieht dies auf körperlicher Ebene niemals im Bauch oder im Solarplexus sondern in der Brust, in der Region des Herzens. Und es ist kein Gefühl von Angst sondern ein Gefühl von tiefem Frieden oder tief berührendem Glück.

Wahre Liebe kennt keine Schüchternheit
Schüchternheit ist wirklich nicht schön. Es ist das Gefühl von Einsamkeit, Nicht-Dazugehören und Unzulänglichkeit mitten unter anderen Menschen, denen es scheinbar allen prima geht. (Filmwelt)
Eine Verlassenheit, die schlimmer sein kann, als alleine in einer Höhle zu sitzen. Die derzeit so populären Männer-Frauen Bücher erzählen, wie das eine Geschlecht das andere gerne hätte, worauf Männer oder Frauen abfahren und was sie an- oder abtörnt. Sicher kann es nicht schaden zu wissen, welches Verhalten welche Wirkung auf andere hat. Aber alles Wissen um Verhalten ist nichts gegenüber der Liebe zu sich selbst.
Es gibt zwei Möglichkeiten, diese Einsamkeit der Schüchternheit zu überwinden. Erstens: Man trainiert es, andere anzusprechen und überspringt das Gefühl der Unzulänglichkeit und Einsamkeit einfach. Man tut etwas, das bei anderen eine Reaktion hervorruft, die einem zeigt, dass man sich „richtig“ verhält, dass man gut ist, anerkannt und „in Ordnung“. Diese Erfahrungen sind wichtig, aber sie sind nur ein Teil der Lösung, denn wenn man zurückgewiesen wird, fühlt man sich in seiner Unzulänglichkeit bestätigt, erfährt wieder einmal den Schmerz der Verletzung und wird vielleicht noch zurückhaltender. Deshalb ist es entscheidend, auf Dauer
möglichst unabhängig zu werden von dem, was andere über einen denken könnten. Je mehr das gelingt, umso authentischer, gelassener und selbstsicherer ist man. Diese Unabhängigkeit von der Liebe und Zuneigung anderer erreicht man nur, wenn man die Liebe und Zuneigung für sich selbst auch in sich selbst spürt. Wie sollen andere mich lieben, wenn ich es selbst nicht kann?

Liebe kennt keine Bedürftigkeit
Liebe braucht nichts. Liebe fordert vom anderen nichts. Liebe ist Begegnung, nicht Beziehung. Liebe ist Wahrnehmung des wundervollen Augenblicks, ohne Gedanken an Bewahrung für die Zukunft. Liebe geschieht immer nur im Moment, sie kann nicht bewahrt werden. Ein anderer Mensch gibt uns nicht seine Liebe sondern er weckt die Liebe in uns. Er ist wie eine Art Schlüssel, er legt unseren Schalter um und wir spüren, dass Liebe in uns empor steigt. Was wir spüren ist nicht seine Liebe für uns, sondern unsere Liebe für ihn. Dies ist ein entscheidender Unterschied, denn es bedeutet, dass wir seine Liebe für uns nicht „brauchen“. Da ist nichts, mit dem ein anderer uns versorgen und füttern muss.
Wenn wir das erfahren, werden wir beginnen, Situationen und Menschen in unserem Leben zu lieben, nur weil wir feststellen, wie wunderbar das Leben gerade ist oder zu uns war. Oder wir werden uns selbst lieben, egal, was wir denken oder tun, nur weil wir spüren, was für ein wundervolles, vielseitiges Geschöpf wir sind.
Genau dies ist der Zustand, nach dem wir suchen und zu dem uns nur unser eigenes Herz den Weg weisen kann.