Jugend und Gewalt

Ein gutes Umfeld ist den Jugendlichen eine wichtige Orientierungshilfe. Es unterstützt sie dabei, Konflikte möglichst gewaltfrei zu bewältigen. Oft ereignen sich erste Delikte in einer Gruppe oder in bandenähnlichen Gemeinschaften. Früherkennung von Gewalt ist wichtig und hilfreich. Eine angemessene, aber klare Reaktion auf leichte Verfehlungen kann eine Eskalation verhindern. Jugendliche brauchen Grenzen.

Kriminalität und Gewalt haben bei jedem Jugendlichen eine eigene Entstehungsgeschichte. Weder Nationalität noch soziale Zugehörigkeit allein erklären die Deliktanfälligkeit; viele Aspekte sind von Bedeutung. Nehmen die Eltern ihre Vorbildfunktion wahr? Getrauen sich Bezugspersonen, klare Grenzen abzustecken und diese gegenüber den Jugendlichen auch durchzusetzen? Sind die Erzieherinnen und Erzieher auch bei Schwierigkeiten in der Lage, Zeit und Verständnis aufzubringen, um Gewaltkonflikte lösen zu können?
Das soziale Umfeld
während der Freizeit ist ebenfalls entscheidend; die Jugendlichen setzen sich vielen fremden Einflüssen aus. Es ist deshalb wichtig, dass sie Selbstvertrauen aufbauen, einen eigenen Willen entwickeln und wenn nötig auch klar nein sagen können. Dafür brauchen sie die partnerschaftliche
Unterstützung von Eltern, von Lehrerinnen und Lehrern, von vertrauten Bezugspersonen in ihrer Umgebung und von öffentlichen Instanzen.
Gewalttätige
oder kriminelle Jugendliche haben häufig selber Gewalt erlebt: In der Familie - gegen sich oder gegen andere Familienangehörige. Damit lernen sie: Probleme löst man mit körperlicher oder seelischer Gewalt.
Beim Loslösen
von der Familie gewinnen Freizeit und die gleichaltrigen Kolleginnen und Kollegen immer stärker an Bedeutung. Persönliche Charaktereigenschaften und Prägungen aus der Kindheit beeinflussen die Stellung eines Jugendlichen in der Gruppe. In einer solchen Gruppe kann der Druck zum Mitmachen sehr weit gehen. Oft beginnen kriminelle Aktivitäten als Folge dieses Gruppendrucks. Es ist noch keine kriminelle
Energie, die solche Jugendliche antreibt. Nach ersten kleinen Delikten kann sich die Gruppe zu einer eigentlichen Bande entwickeln, die zunehmend kriminelle Handlungen begeht. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Banden können zu schweren Körperverletzungen führen. In solchen Gruppen spielen oft auch Alkohol und Drogen eine Rolle.
Erwachsene
müssen lernen, solche Entwicklungen frühzeitig zu erkennen und richtig zu reagieren – beim Täter wie bei der Täterin, als auch bei den Opfern. Voraussetzung dazu ist es, zu den Jugendlichen ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Nur dann trauen sich beide Seiten, auch unbequeme
Sachverhalte anzusprechen. Jugendliche müssen spüren, dass ihr erwachsenes Umfeld sie unterstützen will und kann.
Die Zusammenarbeit
des ganzen Beziehungsnetzes rund um die Jugendlichen ist sehr wichtig. Unerklärliche Reaktionen der Kinder, Anzeichen, dass etwas nicht stimmt, oder unvermittelt auftretende Leistungsprobleme in der Schule müssen Eltern und Erziehungsberechtigte aufhorchen lassen. In einer solchen Situation empfiehlt es sich, dass Eltern und Lehrerschaft über ihre Probleme reden und sich wenn nötig von Fachpersonen beraten lassen.
Das Tolerieren
von Unrecht hilft jungen Menschen, die in strafbare Handlungen verwickelt sind, nicht weiter. Oft reagiert das Umfeld von betroffenen Jugendlichen zu spät, nämlich erst bei schweren Vergehen. Dann sind die Massnahmen allerdings massiv, zum Teil wird die Polizei beigezogen. Beratungsstellen können in vielen Fällen helfen, ohne den Justizapparat in Bewegung zu setzen.

Liebe Eltern
Wenn ihr wollt, dass wir ehrlich, aufrichtig und tolerant sind, gibt es bloss ein Rezept: Lebt uns das vor! Es ist keine Schwäche, Gefühle zu zeigen. Beweist uns eure Zuneigung und lasst uns nicht denken, wir würden euch nur zur Last fallen. Wir wünschen uns Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, mit denen man auch etwas unternehmen kann und die Zeit für uns haben. Mit denen man Spass hat und die nicht erst da sind, wenn es wirklich brennt – wenn überhaupt.
Es ist für uns nicht immer klar, wann wir durch das Ausleben von unseren Freiheiten die Freiheit eines anderen verletzen. Bloss Vorwürfe und autoritäre Besserwisserei helfen da aber nicht weiter. Notwendig ist, zusammen zu reden. Wir möchten mit euch reden, auch wenn es schwierig ist. Denn vielleicht haben wir auch gute Gründe für unser Verhalten. Und wenn ihr Eltern nicht mehr miteinander klarkommt, eine Trennung oder Scheidung für euch der richtige Weg ist, dann denkt daran: Wir brauchen nicht plötzlich nur noch halb so viel Aufmerksamkeit und Zuneigung.
Auf viele von uns warten zu Hause nur eine leere Wohnung und der Fernseher. Wir möchten das Recht haben, an erster Stelle zu kommen. Und wenn ihr unter der Woche schon keine Zeit habt, dann verbringt wenigstens das Wochenende mit uns!